Vom Balken zum Bogen in zwei Tagen?


Ich bin nun seit fast sieben Jahren Bogenschütze. Angefangen habe ich mit einem Recurve, dann habe ich eine Zeitlang Compound geschossen, und nun bin ich schon länger bei den Feldschützen.

Mein Bogen war mir schon lange zu schwach, ich habe den alten meiner Mutter benutzt, aber auch der ist mittlerweile zu schwach, meine Pfeile waren zu kurz, und so haben meine Mutter und ich schon länger überlegt, wie wir das Problem lösen könnten. Mein Traum war schon lange ein Langbogen – aber ein selbstgebauter. Da ich noch wachse, erschien aber der Aufwand irgendwie unpassend.

Zum Glück haben wir im Wendland bei der Kulturellen Landpartie Meike getroffen, eine sehr erfahrene Bogenbauerin, die mir erklärte, dass man das Wachstum durchaus berücksichtigen könnte.

Sehr spontan war dann für mich ein Platz beim Bogenbauseminar frei geworden, und wir haben ohne langes Überlegen unsere Sachen gepackt und sind nach Barwedel gefahren. Nach einer durch viele Staus endlos erscheinenden Fahrt kamen wir Freitag viel später als geplant endlich an, waren müde, aber als wir dann alle um den großen Esstisch saßen und begrüßt wurden, da war alle Erschöpfung vergessen. Holzstücke wurden herumgereicht, der Aufbau von Holz, das Wachstum usw. erklärt und bei allen Teilnehmern war gespannte Erwartung spürbar. Vom gestandenen Schützen bis zum blutigen Anfänger war in der kleinen Gruppe alles vertreten.

Dann haben wir „Rohlinge“ ausgesucht.

Ich habe mich für einen, wie ich fand, „Balken“ aus Esche entschieden. Daraus sollte in weniger als zwei Tagen ein schussfertiger Langbogen entstehen?

Meine Mutter hatte mir erzählt, dass das sicher anstrengend würde, Raspeln und Schleifen kostet Kraft, und ich habe so etwas eigentlich noch nie gemacht. Sie meinte, dass sie mir „zur Not“ ja helfen könnte – aber da das ja MEIN Bogen werden sollte, habe ich sie nicht gelassen. Sie durfte nur Fotos vom Werdegang des Bogens machen.

Der Sonnabend war wirklich anstrengend, aber es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Jeder Arbeitsschritt wurde erklärt. Zu Anfang war es ungewohnt, das Werkzeug zu benutzen, aber durch die tollen Erklärungen fühlte es sich nach wenigen Momenten ganz normal an. Auch bei den anderen Teilnehmern sah es aus, als hätten die so etwas schon öfter gemacht.

 

Am Abend sah man dem ehemaligen Balken tatsächlich an, dass er ein schöner Langbogen wird.

Und dann kam der Moment, wo wirklich alle den Atem angehalten haben: Der erste Bogen, das war ausgerechnet meiner, kam zum ersten Mal auf den sogenannten Tiller. Das ist eine Vorrichtung, mit der man ganz genau sehen kann, ob die Wurfarme gleichmäßig biegen. Ganz zart und sanft muss man zu Anfang ziehen. Uns wurde gesagt, das Holz müsse erst „lernen“, dass es nun ein Bogen ist, dass es sich biegen und dann schnell zurückschnellen muss. Dass so ein Moment so aufregend sein kann, hätte ich vorher nicht gedacht. Vielleicht ist das vergleichbar mit dem Stapellauf eines Schiffs?
Es wurde spät an diesem Tag.

 

Am nächsten Morgen war ich zum Glück nicht der einzige, dem man die Müdigkeit ansah. Aber wir alle waren begierig darauf, unseren Bogen weiter zu vollenden, die Wurfarme so zu bearbeiten, dass sie gleichmäßig biegen. Heute konnte ich auch gut sehen, wie unterschiedlich die Bögen wurden. Am Tag vorher sahen eigentlich alle Balken gleich aus – klotzig, klobig, und überhaupt nicht nach Bogen. Nun war schon das individuelle Zuggewicht eingearbeitet, der Griff angepasst –und am Nachmittag kam dann der nächste aufregende Moment. Die endgültige Sehne wurde aufgespannt und dann wurden die ersten Pfeile durch die Luft gejagt. Jeder Schuss hat das Holz weiter verändert, der Bogen hat wirklich „gelernt“.

Zu Beginn des Seminars wurde uns ein Text vorgelesen, da hieß es, dass zwischen Bogner und Bogen eine innige Beziehung entsteht. Inzwischen weiß ich, dass der Autor der Zeilen das, was während so einer Arbeit passiert, wirklich passend beschrieben hat.

Am Sonntagabend sind wir müde, aber so glücklich und zufrieden heimgefahren, dass uns der lange Stau fast gar nicht gestört hat. Inzwischen ist der Bogen fertig geölt, und aufgrund der geraden Wuchsform des Holzes bin ich sicher, dass meine Esche ihr ganzes Leben davon geträumt hat, später mal ein Langbogen zu werden.

Bjarne (14 Jahre alt)